Jansen, A.C.M. (1996), Prijsvorming in de Nederlandse marihuana-sector 1990-1995: Een beleidsperspectief. ESB, 20-3-1996, p. 257-259. Adapted in 1997. German translation by Jeanette Roberts.
© Copyright 1996, 1997 A.C.M. Jansen. All rights reserved. Reprinted with permission from A.C.M. Jansen.

[Dutch]

Die Preisgestaltung des niederländischen Marihuanasektors 1990-1995

Eine Perspektive der Drogengesetzgebung

A.C.M. Jansen[*]

In den 80er Jahren, entstand in den Niederlanden ein Inkubationsmilieu für den modernen Marihuanasektor. Der 'Verbotsstatus' des Rauschmittels, spielte der heimlichen Produktion von Kleinmengen in die Hände, während sie durch die Zunahme der 'Haschisch-Coffee-Shops', zusätzlich stimuliert wurde. Die Preisgestaltung von Marihuana, scheint die Vermutung, daß es sich hierbei um einen überwiegend kleinen Sektor handelt, zu bestätigen. Daneben gibt es Indikationen, die auf eine drohende 'Überproduktion' weisen. In dieser Hinsicht, stellt die rezente vorgestellte Marihuanapolitikführung eine adäquate Reaktion auf die Entwicklungen dar.

Die Güterpreisgestaltung bildete schon immer einen interessanten Einfallswinkel in die Erkundung des Wirtschaftslebens. In der nachstehenden Analyse, wird die Preisgestaltung des niederländischen Marihuana's ergriffen, um Einblick in einen größtenteils unsichtbaren Sektor zu erlangen. Dazu wurden in 'Haschisch-Coffee-Shops', die 'Nederwied'-Preise der letzten fünf Jahre registriert. Die ca. zwanzig auserwählten 'Coffee-Shops' in Amsterdam, Groningen, Utrecht und Den Haag, sind nicht repräsentativ. Deshalb gab man sich während der Studie auch große Mühe, die Bedeutung von Preis und Preisgestaltung von Marihuana zu erforschen. In der Praxis bedeutete dies, halbjährliche Gespräche mit einem oder mehreren der 'Coffee-Shop'-Betreiber, in den genannten Städten.

Die Bedeutung der Preisgestaltung wurde deshalb nicht, wie so oft, in der Verlängerung einer Theorie oder Hypthese gesucht. Dennoch scheinen die Erkenntnisse inspirierend für den zukünftigen, drogenpolitischen Regierungskurs zu sein. Deshalb wird in diesem Artikel auch die kürzlich eingeführte neue 'Toleranzmaßnahme' kommentiert.[1] In der rezenten Regierungsnote 'Die Niederländische Drogenpolitik' wurde eingebracht, dem mäßigen Eigenanbau von Marihuana eine 'geringe Ermittlungspriorität' zuzumessen. Dementgegen sollen professionelle Großzüchtereien härter als bisher bestraft werden.

Die Vorgeschichte

Die Entwicklungsgrundzüge des niederländischen Marihuanasektors sind weitläufig bekannt.[2] Ohne Übertreibung kann behauptet werden, daß die Marihuanaproduktion bis Anfang der 80er Jahre nicht viel darstellte. Das Saatgut der ausländischen Produkte, war — in der Regel — ungeeignet für das niederländische Klima, und Fachkenntis in Bezug auf Anbautechnik, fehlte nahezu insgesamt.

Die erste Hälfte der 80er Jahre, kann als Inkubationsphase der modernen Marihuanaproduktion betrachtet werden, die wegen ihres illegalen Charakters, so unauffällig wie möglich vor sich gehen mußte. In der Praxis bedeutete dies oft, Experimentieren mit dem Anbau von Marihuana, unter Kunstlicht, im Haus. Die Idee kam aus dem Ausland, hauptsächlich von Amerika. Dort wurden die Resultate der Experimente in Handbüchern festgelegt, wovon einige in das Niederländische übersetzt wurden. Die amerikanische 'Hauskultivation', deren 'Unternehmensstrategie' durch Warner schlagkräftig als 'producing small quantities of top quality marijuana and selling it at a top price' umschrieben wurde, wurde in den Niederlanden technisch weiterentwickelt.[3] Durch eine Reihe von Erfindungen wurde die Produktion eines Qudratmeters 'Vorgarten' in ansehnlich kurzer Zeit verdoppelt; gegenwärtig kann mit fünf bis sechs Ernten pro Jahr ein Ertrag von 1 bis 1 1/2 Kilogramm erzielt werden.

Dieser intensive Eigenanbau, führte in den Niederlanden in der zweiten Hälfte der 80er Jahre zu einer 'grüne Lawine': in weniger als 10 Jahren, wurde eine Importsubstitution von über fünfzig Tonnen erzielt; vermutlich mehr als die Hälfte des jährlichen Cannabiskonsumbedarfs der Niederlande. Diverse Umstände spielten dieser sensationellen Entwicklung in die Hände, aber die Bedeutung der relativ toleranten Cannabispolitik kann dabei schwerlich überschätzt werden. Durch das 'Tolerieren' von 'Haschisch-Coffee-Shops' entstand ein sichtbarer Absatzmarkt für das niederländische Erzeugnis. Bedeutend ist auch, daß sich die 'Coffee-Shops' in der Periode im Land verbreiteten, in der die Eigenanbautechnik der Marihuanaproduktion 'erwachsen' wurde. Zusätzlich wiesen Zeitungsreportagen die Leser auf die 'fabelhafte' Qualität des niederländischen Produktes hin. Sie fungierten als Werbeträger und so kam es, daß die Marihuanaproduzenten in der zweiten Hälfte der 80er Jahre wenig Absatzprobleme erfuhren. Im Gegenteil: diese Periode wurde durch eine nahezu fortwährende Angebotslücke gekennzeichnet. Dies erklärt das rasende Tempo der Importsubstitution: der hier und dar im Lande plötzlich stark zunehmenden örtlichen Nachfrage, (in den 'Coffee-Shops'), konnte vor allem durch kleinere Initiativen begegnet werden.

Von strategischer Bedeutung für die Verbreitung des modernen Marihuanaanbaus, waren auch die speziellen 'Hanf-Läden', wo der benötigte 'input', als auch die Sachkenntnis, ohne legale Restriktionen, erhältlich waren. Die meisten dieser Läden fungierten als wahre Gartenbaukonsulenten. Einerseits waren sie Ratgeber für beginnende Produzenten, andererseits fungierten sie als Schleuse für die in der Praxis entdeckten Produkt- und Produktionsverbesserungen. Die Anzahl der 'Hanf-Läden' hat sich im Lauf der Zeit stürmisch entwickelt: von unter zehn in 1990, bis zu beinahe hundert in 1996 (siehe Figur 1).

Figur 1. Hanf-Läden in den Niederlanden.
Hanf-Läden in den Niederlanden

Überproduktion?

Bereits zu Anfang der 90er Jahre, wurde von den Fahndungsdiensten suggeriert, daß sich die Niederlande zu einem Exportland von niederländischem Marihuana entwickelt hätte. Dies entsprach nicht der Wahrheit. Zu dieser Zeit, war die einheimische Nachfrage noch größer als das Angebot. In den letzten zwei Jahren, wurden jedoch schätzungsweise mehr als 30.000 'Grünlampen' verkauft, was einem jährlichen Wachstum der 'theoretischen Produktionskapazität' von ungefähr fünfzehn Tonnen entspräche. Allein aufgrund dieser Wahrnehmung solle man vermuten können, daß das Stadium von Überproduktion bereits erreicht sei, und daß deshalb ein guter Teil der niederländischen Produktion über die Grenze verschwindet.

Diese Vermutung scheint sich nicht so einfach befestigen zu lassen. Eine mögliche und plausible Erklärung für den Unterschied zwischen der 'theoretischen Produktionskapazität' und der tatsächlichen, jährlichen Marihuanaproduktion in den Niederlanden, kann in der Tatsache liegen, daß ein Teil der 'Grünlampen' über die Grenze verschwindet. Das läßt sich auch ein wenig aus dem Verspreitungsmuster der Hanf-Läden (Figur 1) ableiten. Allerdings bestehen Anzeichen einer Entwicklungssignifikanz des niederländischen Marihuanaexports, vorerst jedoch scheint der Export von 'Produktionsutensilien' viele Male wichtiger, als der Export des 'Endproduktes'. Es ist keineswegs verwegen zu behaupten, daß sich die Niederlande in den 90er Jahren zu einem Inkubationsmilieu einer 'grünen Lawine' entwickelte, die sich auf europäischem Niveau im Verborgenen weiterentwickelt. Auch in Deutschland gibt es derzeit schon 'Hanf-Läden', und auch das Phänomen 'Coffee-Shop' ist dort bekannt.[4]

Ableitend von den Belieferungspreisen an Coffee-Shops, bestehen übrigens wenig Zweifel daran, daß der Markt Sättigungsanzeichen aufweist. Der Preisverlauf ist - unter anderem auch wegen der saisonbedingten Einflüsse - relativ launisch. Während der Sommermonate ist die Anfuhr gering, weil die hohen Temperaturen in Kombination mit der Wärme der 'Grünlampen', oft zu kleinen Ernten und Mißernten führen. Im Herbst werden die hohen Sommerpreise wegen der Anfuhr der (großen) Ernten aus den Gewächshäusern unter Druck gesetzt, und außerdem führt in dieser Periode die 'Freilufternte' zu einer reduzierten Nachfrage in den Coffee-Shops. Zu Jahresende, ziehen die Preise durchwegs wieder an. In 1992 geschah dies jedoch nicht. Mitte des Jahres 1993, sank der Belieferungspreis von einem Kilo 'Durchschnitts'-Marihuana sogar bis weit unter die 5.000 Gulden (n=43), während in 1990 noch Preise von mehr als f 7.000.-, erzielt wurden. Bemerkenswerterweise stiegen die Preise im Laufe der Zeit wieder, jedoch nicht auf das anfängliche Niveau der untersuchten Periode. Bei Ende 1995, lag der Preis von einem Kilo 'Durchschnitts'-Marihuana wieder bei rund f 5.000 (n=8).

Die Annahme, daß ein starker Exportanstieg zu dieser Preiserholung führte, ist nicht glaubwürdig. Es besteht vielmehr Anlaß zur Vermutung, daß der niederländische Marihuanasektor kurzzeitig durch die Anfuhr großer Lieferungen kolumbianischem Marihuanas, das zu sehr niedrigen Preisen, (unter 2.000 Gulden per Kilo), auf den Markt kam, aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Mit anderen Worten, man könnte fast zum Schluß kommen, daß die Aktivitäten des Interregionalen Recherche Teams, eine Rolle bei der merkwürdigen Entwicklung der niederländischen Marihuanaanfuhrpreise der letzten Jahren spielten.

Marihuana in 'Haschisch-Coffee-Shops', 1991-1995

Vor noch nicht allzu langer Zeit, war der Preis von niederländischem Marihuana sehr niedrig. In den meisten Coffee-Shops, die in der ersten Hälfte der 80er Jahre existierten, war das einheimische Produkt überhaupt nicht erhältlich, weil die Qualität als zu minderwertig befunden wurde. Auf dem örtlichen Markt kostete ein Gramm nur einen Gulden, oder sogar noch weniger.[5]

Als sich die Qualität des einheimischen Produktes gegen 1985 bemerkenswert verbesserte, stellte es sich heraus, daß sich ein in der Vergangenheit ungünstig aufgebautes Qualitätsimage, nicht leicht abschütteln läßt. Das betrifft mit Sicherheit einen Sektor, in dem Qualitäts- und Preisangaben nicht in Anzeigen kundgetan werden können. Wie schon berichtet, wurde die Verbesserung der Qualität in der niederländischen Haushaltspresse publiziert, worauf eine wahre Explosionsnachfrage erfolgte, die bis in die 90er Jahre nicht gedeckt werden konnte. Dies ergab sich auch aus Aussagen der ausgewählten Coffee-Shops, die Informationen bezüglich der Preisgestaltung lieferten. In 1991, waren noch einige unter ihnen, die kein 'Nederwied' verkauften. In den folgenden Jahren, war dies nicht mehr der Fall.

Tabelle 1. Preisgestaltung in 'Haschisch-Coffie-Shops' (in Gulden per Gramm), 1991-1995.
1991 1992 1993 1994 1995
durchschnittliches Haschischsortiment 8,0 7,0 7,3 7,0 7,5
durchschnittliches Nederwiedsortiment 1,2 3,8 4,3 5,1 6,6
Durchschnittspreis teuerstes 'Nederwied' 11,4 12,8 13,1 13,1 13,7
durchschnittliche Abweichung 2,4 2,0 1,5 1,1 2,4
Durchschnittspreis billigstes 'Nederwied' 10,3 10,2 10,0 9,7 9,3
durchschnittliche Abweichung 2,7 3,0 2,5 2,2 2,1
Wahrnehmungen 67 45 53 55 49

Sowie aus Tabelle 1 ersichtlich, entwickelte sich im Lauf der Zeit eine Zunahme im Auswahlsangebot der Coffee-Shops. Die durchschnittliche Auswahl der niederländischen Grassorten, stieg dabei spektakulär, was sich jedoch auf die Anzahl der Haschischsortenauswahl auswirkte. Sie sind ausschließlich von ausländischer Herkunft, jedoch steht 'Nederhaschisch' immer öfter auf der Karte. (Zu Anfang der Beobachtungsphase, war dies bei zwei der zwanzig Coffee-Shops der Fall; in 1995 war die Anzahl auf elf gestiegen). Der Preis von 'Nederhaschisch' ist normalerweise aber sehr hoch, während die Umsätze gering sind. Spektakulärer als das reduzierte Sortiment des Haschischangebots, ist der kontinuierlich abnehmende Marktanteil des ausländischen Angebots. Dies führte zu einer Qualitätsverbesserung. In den Niederlanden sind minderwertige Haschsorten, dieser Tage, nicht mehr unter die Leute zu kriegen; diese Parteien verschwinden in Ländern mit einer repressiveren Cannabispolitik.

Das durchschnittlich gesehen, stets steigende Auswahlsangebot von niederländischem Marihuana, ist, gemäß Tabelle 1, mit einer wachsenden Differenz zwischen den teuersten und billigsten Angebotssorten verbunden. Vor allem erstaunt der steigende Preis, zu einer Zeit, in der der Markt Sättigungsanzeichen aufweist. Doch können die gestiegenen Preise, teilweise im Hinblick auf diese Anzeichen verstanden werden. Gesunkene Anfuhrpreise führten bei den kleinen, den Markt dominierenden Züchtern, zu Reaktionen. Sie begannen -- außer der Sorte 'Skunk', die in der Periode von 1990 zo ziemlich die einzige kommerzielle Sorte darstellte -- andere Sorten zu züchten. Dabei gibt es nicht allzuviel Grund zur Annahme, daß zwischen Preis und Qualität eine systematische Verbinding bestünde. Dies erwies sich jedenfalls nicht, bei einem zuvor durchgeführten Test von sechzig Proben niederländischem Marihuanas, von ungefähr gleichem Preis: der THC-Gehalt variierte von 0,6% bis 15,4%, mit durchschnittlich 7,5%.[6] Ebensowenig wie bei einem mehr gebräuchlichen Rauschmittel, dem alkoholhaltigen Getränk, werden bei Cannabis die Vorzüge der Konsumenten nicht einzig und allein durch den Wirkstoffprozentsatz beeinflußt. Dies wird auch durch die oben angeführte Studie befestigt. Der durchschnittliche THC-Prozentsatz der sechzig ausländischen Haschischproben, erwies sich als viel höher, dann der des 'Nederwied's'; dennoch hat sich in den vergangenen Jahren eine beachtliche Nachfrageverschiebing zugunsten des niederländischen Marihuanas ergeben.

Für einige Coffee-Shops bildete die Differenzierung der Produkte den Angriffspunkt einer anderen Unternehmensstrategie: die Auswahl von 'Nederwied' wird größer, zu Preisen die manchmal erheblich über den der letzten Jahren liegen. Dementsprechend hoch sind die Gewinnspannen. (Erstaunlicherweise sind die Anfuhrpreise der neuen Varianten nicht viel höher, dann die der dominanten Sorte der 80er Jahre.)

Die Tabelle 1 zeigt zwar, daß der Preis der billigsten Sorte im Lauf der Zeit sinkt, aber das hat auch damit zu tun, daß mehr Coffee-Shops als zuvor, das Produkt der 'Frischluft-Ernte' auf die Karte setzen. Die Preise dafür sind erheblich geringer.

Die Spannen scheinen überall gewachsen zu sein. Das ist sicherlich so, wenn man bedenkt, daß die Coffee-Shop Betreiber manchmal selbst einen oder mehrere Marihuanapflanzungen betreiben; etwas, das übrigens schon von Anfang an Gang und Gebe war.

Die Differenzierung der Produkte, ist nicht die einzige Reaktion der Züchter auf den sich langsam sättigenden Markt. Bereits aus früheren Untersuchungen ergab sich, daß Lieferungen an Freunde und Bekannte, als Absatzkanal, höhere Zahlen aufwiesen, als Lieferungen an Coffee-Shops oder Zwischenhändler.[7] Es gibt Anzeichen dafür, daß kleine Züchter, als Reaktion auf die niedrigen Anfuhrpreise, den 'Privathandel' als eine Möglichkeit sehen, um ihren Produktionsertrag instand zu halten. Man darf dabei nicht aus dem Auge verlieren, daß es sich hier um einen speziellen Wirtschaftszweig handelt. Es besteht ein Übergewicht an Produzenten, die als 'Hobby-Unternehmer' betrachtet werden können. Darunter verstehe ich Unternehmer, die ihr Einkommen nicht (ausschließlich) aus der Marihuanaproduktion beziehen. Die übergroße Mehrheit produziert (vermutlich) weniger als 10 Kilo per Jahr.

'Groß' und 'Klein' im Marihuanasektor

Bei einem verborgenen Sektor, wie dem Marihuanageschäft, gibt es keine zuverlässigen Zahlen über das Ausmaß der Produktion. Sogar die Schätzungen von Cannabis-Konsumentenzahlen, beruhen auf unzulänglichen Untersuchungsergebnissen.[8] In einer kürzlichen Reportage über die Umfangsfrage und deren Entwicklung, weist die Differenz zwischen höchster und niedrigster Schätzung, zweistellige Prozentzahlen auf.[9]

Auch die Wahrnehmungen der 'Betriebsgrößen-Verhältnisse' können natürlich nicht mehr, als 'begründete Vermutungen' sein. Doch scheint kein Zweifel darüber zu bestehen, daß es ein Übergewicht von Produzenten gibt, die als 'Hobby-Unternehmer' gelten. Und ebenso scheint es keine Zweifel bei der Einsicht zu geben, daß die übergroße Mehrheit der Produzenten weniger als 10 Kilo pro Jahr produziert. Offensichtlich gibt es auch Groß-Produzenten, aber sie sind nicht bezeichnend für die Struktur des Sektors. Das ist auch durchaus verständlich. Eine Oberfläche von ungefähr zwanzig Quadratmetern ist ausreichend, um den gesamten Marihuanabedarf eines durchschnittlichen Coffee-Shops zu decken. Ein einziger Quadratmeter kann eine Ernte erzielen, die selbst den Eigenbedarf des überzeugtesten Kiffers bei weitem deckt, während die Qualität des Kleinanbau's oft die der Massenproduktionen übertrifft. Falls solche Umstände bei konventionelleren Rauschmitteln, wie zum Beispiel bei Bier, zuträfen, würden die Vorteile der Massenproduktion im 'Nichts' zerrinnnen.

Obwohl es 'theoretisch' andere Interpretationen, für die im Lauf der Zeit stark zugenommenen Sorten von 'Nederwied' in den Coffee-Shops gibt, liegt es mehr vor der Hand, diese Variationen den Aktivitäten vieler kleiner Anbieter zuzuschreiben, dann denen einer bestimmten Anzahl Großanbieter. Das ergibt sich auch aus Gesprächen mit Coffee-Shop Betreibern, (die übrigens, wie schon erwähnt, nicht repräsentativ sind für die totale Bevölkerung). Dies läßt sich auch aus den Vorgängen auf den höheren Niveau des Haschischhandels ableiten: den "'Geschäftsstätten', die die Haschisch-Coffee-Shops bevorraten. Dort gilt eine Partei von z.B. 10 Kilogramm 'Nederwied' als eine 'anständige' Partei'; für diesselbe Qualifikation müßte es sich bei ausländischem Haschisch um ein Zehnfaches dieser Menge handeln.

Die niederländische Marihuanapolitik

Die Preisgestaltung des niederländischen Marihuanasektor's ist von Launen geprägt und ihre Bedeutung ist nicht eindeutig. Die geradezu perfekten Trends von Tabelle 1, sind diesbezüglich eine Sinnestäuschung und erinnern uns daran, daß eine Tabelle ein Abstrakt bildet. Kontext und Bedeutung von Preis und Preisgestaltung sind vielfältig. Angebotssteigerung scheint nicht — per Definition — zu einer Preissenkung zu führen, wegen monopolpolitischer Konkurrenz, oder einer anderen Veränderung in der Unternehmensstrategie, sowohl bei den Produzenten, als auch bei den Detailhändlern.

Dabei wird das Bild noch komplizierter, da manche Detailhändler an der Produktion selbst beteiligt sind. Mehr oder weniger als Reaktion darauf, beteiligen sich die Produzenten am Direktverkauf an die Abnehmer.

Deutlich ist jedoch, daß sich die launische Preisgestaltung des niederländischen Marihuanasektors, durch keine einzige wirtschaftliche Preistheorie auch nur einigermaßen adäquat erklären läßt. Die 'echte' Welt präsentiert ein chaotischeres und spannenderes Bild; jedenfalls mit Bezug auf die Marihuanasphäre. Die Erschließung der möglichen Bedeutung von Preis und Preisgestaltung der 'wirklichen Welt', ermöglicht vielleicht doch brauchbarere Einsichten, als wirtschaftliche, auf der Annahme basierende Untersuchungen, daß es für die Drogenpolitik von 'vitaler Bedeutung' sei, um die Preiselastizität von Drogen zu kennen.[10]

Auch mit Einblick in die Bezug der Preisgestaltung, bleibt die Spekulation über die Zukunft auf diesem Sektor bestehen. Aber es ist beinahe unvermeidlich, daß die Anfuhrpreise von 'Nederwied', in beträchtlich kurzer Zeit, merklich sinken werden. Der Preisgestaltungsbezug scheint deutlich zu machen, daß der Produktionsausweitung damit kein Halt auferlegt wird. Selbst bei Halbierung der heutigen Preise, würde der Kleinanbau von Marihuana lukratief bleiben. Das gilt umsomehr, da die übergroße Mehrheit der Züchter für ihr Einkommen, (vermutlich), bereits nun schon nicht mehr ausschließlich auf die Produktion von Marihuana angewiesen ist. Es stellt sich die Frage, welche Folgen durch diese 'Überproduktion' zukünftig in diesem Sektor ausgelöst werden. Es gibt eine Menge von Möglichkeiten.

Export wäre eine davon, aber es gibt mehr. Die Möglichkeiten, um niederländisches Marihuana in kleinem Maße, rentabel, zu Haschisch zu machen, haben durch die Erfindung von 'Haschmaschinen' zugenommen. Falls die Anfuhrpreise aufgrund der Überproduktion weiterhin fallen, ist es sicherlich nicht undenkbar, daß sich das 'Nederhasch' auf den Marktanteil des ausländischen Haschisch auswirken wird. Fallende Preise, könnten auch Anlaß zur Produktionssteigerung geben. Welche dieser Möglichkeiten, als Reaktion auf die Überproduktion, tatsächlich aufgegriffen wird, oder werden, bleibt ungewiß. Vieles wird von der zukünftigen Drogenpolitik des restlichen Europa abhängen. Es scheint eine wachsende Toleranzbereitschaft bezüglich des betreffenden Rauschmittels zu entstehen, was - wie in den Niederlanden - als nichts anderes, dann ein erster Schritt in die Richtung einer kulturellen Integration von Cannabis, geachtet werden kann. Derartige politische Veränderungen, geben natürlich Anlaß zu grundlegend anderen Szenarien.

Im Hinblick darauf, wurden in der bereits erwähnten Regierungsnote, 'Die Niederländische Drogenpolitik', bezüglich auf Cannabis einige interessante politische Vorschläge gemacht. Die Absicht um den 'kleinen' Eigenanbau von Marihuana zu tolerieren, (und den Großanbau stärker zu bestrafen), scheint darauf gerichtet, um der 'Hobby-Züchterei' einen (noch) größeren Platz in der niederländischen Marihuana-Vorkehrung zu gewähren. Sie kann deshalb als eine Wirtschaftsmaßnahme betrachtet werden, die auf Errichtung einer Sektorstruktur zielt, die der Kriminalität relativ wenig Chancen bietet. (In der Note wird der Eindruck erweckt, daß es bereits ungefähr 35.000 kleine Eigenzüchter gäbe, aber diese Schätzung liegt ziemlich hoch.)

Diese Marihuanapolitikführung scheint realistisch und läßt sich auch politisch verteidigen. Auch dem Ausland gebenüber. Dieser politische Kurs ist ebenfalls die Verlängerung einer Politikführung, die faktisch schon seit einigen Jahrzehnten auf die allmähliche Entkriminalisierung von Cannabis gerichtet ist.

Die hier dargelegten Ansichten geben ebenfalls Grund zur Annahme, daß es praktisch unmöglich ist, um die Marihuanaproduktion auf europäischer Ebene erfolgreich 'anzupacken'. Der kleine 'Eigenanbau' ist noch schwieriger ermittelbar, als der Großimport von Cannabis, wovon feststeht, daß nur ein kleiner Teil abgefangen wird.

Es ist außerdem legal, um alle Utensilien für den erfolgreichen Eigenanbau (Saatgut, Grünlampen, etc.,) innerhalb des europäischen Raumes zu handeln. Die dazu benötigte Fachkenntnis, kann aus Standardwerken, von vor allem amerikanischer Herkunft, erworben werden, die in den wichtigsten europäischen Sprachen erhältlich sind.

Das große Gewinnpotential des 'Minihandels', der in den Niederlanden für eine 'grüne Lawine' sorgte, bildete eine aufsehendserregende und fast buchstäbliche Illustration der Kraft von Adam Smith's 'invisible hand'. Es besteht Anlaß zur Vermutung, daß 'unsichtbare Hände' ein ähnliches Resultat in Europa herbeiführen könnten; zumindest in den Ländern, die einen Waffenstillstand im Krieg gegen Cannabis erwägen.

Note

Der Author ist als Hauptdozent und Forscher mit dem Ökonomisch-Geographischem Institut der Universität von Amsterdam liiert. E-mail: a.c.m.jansen@chello.nl.

  1. Nota Die Niederländische Drogenpolitik: Kontinuität und Wandel. 's Gravenhage, 1995.
  2. Siehe zum Beispiel A.C.M. Jansen, De Nederlandse marihuanasector, ESB, 31 maart 1993, blz. 294-296; N. Maalsté, Het kruid, de krant en de kroongetuigen. De geschiedenis van hennep 1950-1970. Utrecht: WGU-Cahiers, 1993 (Nr. 13).
  3. R. Warner, Invisible Hand. The Marijuana Business. New York: Beech Tree Books, 1986, p.196.
  4. Siehe hier: 'Zapfhähne raus, Joints rein', Der Spiegel, 1995, nr.50, blz.122-127. Mit Dank an Prof.dr A.J. Beekman der mich auf diese Reportage hinwies.
  5. N. Maalsté, op.cit., blz. 118.
  6. D. Korf & H. Verbraeck, Dealers en Dienders. Dynamiek tussen drugbestrijding en de midden- en hogere niveaus van de cannabis-, cocaïne-, amfetamine- en ecstacyhandel in Amsterdam. Amsterdam: Universiteit van Amsterdam, Criminologisch Instituut 'Bonger', 1993. Bijlage II, blz. 235-244.
  7. A.C.M. Jansen, op.cit., blz. 295.
  8. E. van Luyk & J. van Ours, De prijselasticiteit van hard drugs, ESB, 17 mei 1995, blz. 471.
  9. Steinmetz Advies & Opleiding, Softdrugs in Nederland. Rapport No.10. Amsterdam, 1995.
  10. E. van Luyk & J. van Ours, De prijselasticiteit van hard drugs, ESB, 17 mei 1995, blz. 471.